Der Merkurstab | November/Dezember 2005 | 16,00 Euro (inkl. Mwst., zzgl. Versandkosten)
Artikel | Plastisch-therapeutisches Gestalten zur seelischen Stabilisierung bei einer Patientin mit fortgeschrittenem Mammakarzinom und Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation Sculpture therapy for a psychic stabilization after a medically indicated abortion in a cancer patient |
Autor | Anne Solheim |
Seiten | 487-490 |
Zusammenfassung
Bei einer 33jährigen Patientin mit fortgeschrittenem, inflammatorischem Mammakarzinom (T3, N2) erfolgte in Zusammenhang mit der durchgeführten Chemotherapie ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation, anschließend eine Bestrahlung. Neun Monate nach der Erstdiagnose wurde die Patientin mit einer Erschöpfungssymptomatik in einer onkologischen Rehaklinik für einen vierwöchigen Aufenthalt aufgenommen. In Abstimmung mit dem Stationspsychologen erfolgte die plastisch-therapeutische Arbeit mit dem Ziel der Stabilisierung und Strukturierung.
Im plastischen Therapieprozess nahm die Patientin keinen bewussten Bezug zu Themen ihrer belastenden Gegenwartssituation auf (etwa Bearbeitung der Krankheitsängste oder des Schwangerschaftsabbruches). Sie arbeitete an einer abstrakten Form, setzte sich dabei mit den plastischen Elementen der Bewegung und der Raumlage auseinander und vollzog im Verlauf Schritte von ungeordnet schwebenden und passiv bewegt wirkenden Formen zu einer eigenständigen Formbildung und Aufrichtung. Durch Arbeiten mit geschlossenen Augen war beabsichtigt, die Eigenwahrnehmung der Patientin und eine Aktivierung der leibnahen Sinnestätigkeit zu fördern. Durch dialogisches Arbeiten mit zunächst gezielter Führung des Arbeitsprozesses und dann vorsichtigem Nachfragen in Bezug auf die Wahrnehmung der Patientin, konnte diese zunehmend eigene Bedürfnisse formulieren und plastisch umsetzen, was sich auf ihre Befindlichkeit unmittelbar auswirkte. So konnte sie eine anfängliche Desorientierung der Form wahrnehmen die ihr Orientierung gab, eine ursprüngliche Haltlosigkeit konnte durch Ausbildung eines inneren Zentrums überwunden werden.
Indem sich die Patientin einer, von ihr geschaffenen, dreidimensionalen Form gegenüber stellte, konnte sie Zugang zu ihrer Eigendynamik und ihrem - zunächst unbewussten - gegenwärtigen Leiberleben finden. Indem sie die äußere Form verwandelte, gewann sie auch innere Stabilität und Struktur, was dann auch im Rahmen der psychologischen Begleitung in der Klinik eine verbal geführte Bearbeitung ermöglichte.